Neujahrsempfang 2024
Stadt steht vor großen Herausforderungen
Deutlich zeigte Oberbürgermeister Bernd Häusler in seiner einstündigen Rede beim Neujahrsempfang der Stadt Singen in der Stadthalle die vielfältigen Herausforderungen für Gesellschaft und insbesondere die Stadt wie Wohnungsbau, Kinderbetreuung, städtische Finanzen, Klimaschutz, Migration u.v.m. auf. Zugleich benannte der Rathauschef aber auch Lösungswege. Angefangen von der gelebten Solidarität zwischen den Völkern, die Singen mit mehreren Hilfstransporte in die ukrainische Partnerstadt Kobeljaky umsetze.
„Singen steht für Fortschritt, Innovation, eine pulsierende Stadt… aber immer bodenständig… Machen nicht Schwätzen hat bei uns oberste Priorität. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Singen das industrielle Herz des Landkreises Konstanz ist.“, so Häusler in seiner Rede. Deshalb könne er nicht verstehen, warum die Region beim Wasserstoffkernnetz ausgegrenzt werde. Gemeinsam mit dem Landkreis, der Wirtschaft, habe die Stadt Singen und Singen aktiv eine Initiative bei der Bundesnetzagentur gestartet, „dass man uns hier unten nicht vergisst“.
Im Interesse der Einkaufsstadt Singen mit einem Jahresvolumen von 535 Millionen appellierte Häusler, vor Ort zu kaufen, um den örtlichen Handel zu stärken. Zudem hoffe er auf einen Fortbestand von Karstadt, mit dessen Eröffnung vor 50 Jahren hierfür den Grundstein gelegt wurde.
Seit 2014 konnten über 2.300 neue Wohneinheiten in Singen genehmigt und viele davon realisiert wurden oder werden in diesem Jahr fertig gestellt. Beispielhafte Projekte sind die Wehrdstraße, Rielasinger Straße, Thurgauer Straße, Überlinger Straße, Feuerwehrstraße, Höristraße sowie in der Hauptstraße. Gleichwohl zeigen sich die herausfordernden Rahmenbedingungen wie Zinserhöhungen und Kostensteigerungen deutlich im Hinblick auf weitere Wohnbauprojekte, so leide etwa die zügige Umsetzung des Scheffelareals unter den derzeitigen Markbedingungen, so Häusler. Ebenso werde der Abriss des ehemaligen „Landerer“ am Ziegeleiweiher noch etwas dauern.
Erfreulich sei der Ankauf aller Grundstücke im geplanten Gewerbe- und Wohngebiet Tiefenreute-Bühl, wofür die Stadt zehn Millionen Euro investiert habe, aber auch der geplante Nordstadtversorger von Edeka Südwest und Siedlungswerk. Deutlich sprach sich Häusler für die Einführung eines Mietspiegels aus, der bei 50.000 Einwohner verpflichtend werde – Singen habe aktuell 49.600 Einwohnern.
Bei der Kindertagesbetreuung fehlten aufgrund des Zuzugs unglaublich vieler Familien mit Kindern aktuell über 400 Betreuungsplätze, auch wenn die Stadt insgesamt 2.240 Plätze zur Verfügung stellt. Hypothetisch beliefen sich die Kosten für den Bau der hierfür 26 notwendigen Kita-Gruppen laut dem Oberbürgermeister auf schätzungsweise 19 Millionen Euro. Hinzu kämen Betriebskosten für den laufenden Betrieb. Die ungedeckten Kosten betragen aktuell für die 28 Kindertages-Einrichtungen der Stadt und der freien Träger etwa 15,3 Millionen Euro. Eine Parallele sei der Rechtsanspruch auf einen Ganztagesplatz im Grundschulbereich ab 2026, auch dort werden uns die Kosten überrollen, so Häusler.
Gerade im Hinblick auf die Beratung des Haushaltplans 2024 erklärte der Oberbürgermeister beim Neujahrsempfang, dass man im Vergleich zu 2023 mit weniger Einnahmen bzw. mehr Ausgaben in einem Gesamtvolumen von 46 Millionen Euro zurechtkommen müsse. So habe sich allein die Kreisumlage um 42 Prozent – fast 12 Millionen Euro – für Singen erhöht. Durch angesparte Finanzmittel in Höhe von 40 Millionen Euro liquider Mittel könne Stand heute aufgrund einer vorausschauenden Finanzplanung in den vergangenen Jahren das Defizit in den Jahren 2024 und auch 2025 ausgeglichen werden könne, kündigte Häusler an. Er befürchtet, dass es in den kommenden Jahren immer schwieriger werde noch einen finanzierbaren Haushalt zu gestalten – und das betreffe nicht nur Singen. Insbesondere, da die Verpflichtungen zunehmen und von oben nach unten weitergereicht werden, aber die Einnahmen nicht im gleichen Maße mitwachsen, beklagte der Singener OB.
Aus diesem Grund müsse die Stadtverwaltung mit dem Gemeinderat für das Jahr 2025 über eine Erhöhung der Gewerbesteuer von 360 auf 390 Punkte diskutieren. Nur als Vergleich, Konstanz habe 410 Punkte, Radolfzell 390 Punkte. Die letzte Erhöhung der Gewerbesteuer liege 28 Jahre zurück, so Häusler. Die Anhebung sei nicht gewollt, aber alternativlos, so Häusler.
Aufgrund der angespannten Finanzlage sei eine gewünschte Taktverdichtung beim Stadtbus aktuell nicht finanzierbar. Ebenso dürfe eine denkbare Wärmeplanung im Masurengebiet kein „Drauflegegeschäft“ für die Stadt werden dürfe, erklärte der OB beim Neujahrsempfang.
Als Meilensteine für 2024 nannte er den Bau der Scheffelhalle, die Sanierung der Hohenkrähenstraße, die geplante Videoüberwachung in Teilen der Fußgängerzone sowie die geplante Einführung eines Medizinischen Versorgungszentrum im hausärztlichen Bereich.
Sehr gefreut habe er sich, so Häusler, auch über die Standortentscheidung für „Singen Nord“ als bestens erreichbaren Standort für das künftige Zentralklinikum. In den nächsten Wochen würden die Gespräche mit den Grundstückseigentümern geführt und parallel dazu im März die ersten bauplanungsrechtlichen Schritte im Gemeinderat eingeleitet, kündigte Häusler an. Die Kosten von einer halben Milliarde Euro dürften den Landkreis und die Kommunen aber nicht überfordern, mahnte er.
Einen klaren Appell in Sachen Migration richtete der Oberbürgermeister an die politischen Entscheidungsträger: „Tun Sie endlich etwas“. Auch wenn Singen eine große Tradition habe, was die Integration von Menschen aus anderen Ländern angehe, sei man an vielen Stellen, nicht nur an, sondern über der Leistungsfähigkeit, ob bei Kita Plätzen, Flüchtlingsunterkünften u.v.m. Dabei müsse allen klar sein, mit Geld allein lassen sich die Fragen der Flüchtlingswelle in unseren Städten und Gemeinden nicht lösen, so Häusler.
Im Blick auf die Kommunalwahl am 9. Juni warb Häusler um engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich auf den Listen zur Wahl aufstellen lassen. Zudem warnte er davor, mit den Stimmen verantwortungsbewusst umzugehen: „Eine Denkzettelwahl kann sich schnell gegen einen selbst richten.“
Zum Schluss verwies Häusler auf das Stadtjubiläum – 125 Jahre Singen, zu dem verschiedene Veranstaltungen stattfinden würden.